Das habe ich nun davon – ich wollte ja unbedingt ein
Mitmach-Projekt!
Darum habe ich auf meiner Facebook-Seite einen Aufruf
gestartet bei dem ich jeweils 3 Begriffe suche. Bekommen habe ich diese Wörter:
Surfbrett, Achterbahn, Hasenstall, Lebewesen,
Badewanne, Birkenfeige, Werkzeuge, Sperrmüll, Autoreifen, Sonnenbrille, Sonnenstuhl,
Baguette, Rotwein, Iltisbau, Wlan-Router,
Küchenreibe,
Mein Dank geht an: Diana Richter, Birgit Geiger, Ute Dippel,
Martina Kastrati und Karin Toedtloff
Ehrlich gesagt hatte ich mit Badewanne, Werkzeuge und
Rotwein am liebsten gearbeitet.
Aber was habe ich gelost?
Achterbahn, Birkenfeige und (Haltet euch fest!) Iltisbau!
Und dabei sitzt mir heute die Zeit im Nacken und ich muss
mich beeilen, weil ich noch andere Aufgaben zu erledigen habe. Also an die Arbeit!
1. Liebesroman
Edith schloss die Tür zu der Wohnung im Dachgeschoss auf.
Ein penetranter Geruch kam ihr entgegen. Das roch ja hier wie im Iltisbau! Sie
unterdrückte den Würgereiz und stürmte zum nächsten Fenster, um es weit
aufzureißen. Aufatmend lehnte sie sich hinaus und riss erstaunt die Augen auf.
Natürlich hatte sie gewusst, dass sie sich im letzten Haus in der Straße
befand, aber mit diesem Anblick hatte sie nicht gerechnet. Ihr Blick fiel auf
einen etwa 20 Meter breiten Streifen einer wilden Wiese und danach begann der
Wald. Dort standen Tannen, die waren höher als das Fenster der
Mansardenwohnung, aus dem sie blickte. Ein Duftgemisch aus feuchter Erde, Harz
und etlichen Nuancen, die sie nicht benennen konnte, wehte zu ihr herüber. Sie
seufzte tief. Für diesen Ausblick schien es sich tatsächlich, gelohnt zu haben,
dass sie diese Behausung ohne vorherige Besichtigung gemietet hatte. "Wer
macht denn schon so was Bescheuertes?", glaubte sie, die Stimme ihrer
Mutter zu hören. "Nun dreh dich schon um und schau dir an, in was für
einer Bruchbude du gelandet bist.", höhnte es in ihrem Kopf weiter.
Energisch schüttelte Edith den Kopf, ganz so als könne sie die bösen Gedanken
vertreiben. Nach einem letzten Blick auf den Wald wandte sie sich um. Zumindest
wollte sie am Fenster stehen bleiben, bis sie sich etwas an den Gestank gewöhnt
hatte. In ihrer Panik beim Hereinkommen war sie in der Küche gelandet. Hier gab
es nur einen Herd, einen uralten Schrank, einen Tisch mit zwei Stühlen und eine
Spüle. Dort schien auch die Ursache des furchtbaren Geruchs herzukommen. Sie
wagte einen Schritt nach vorn und spähte vorsichtig in das rechte Becken.
Tatsächlich. Dort stand ein Topf mit irgendetwas Undefinierbaren, dass
anscheinend dabei, war in flauschiger Pilzform über den Rand zu wachsen. Na
wenigstens war es kein totes Tier, was da verweste, sondern nur das vergessene
Essen des Vormieters. Erleichtert wagte sie sich durch den quadratischen Flur
in das Zimmer, welches wahrscheinlich als Wohnzimmer gedacht war. Es war bis
auf eine vollkommen vertrocknete Birkenfeige leer. Auch das Minibad mit
Toilette und Dusche bot zu Glück keine weiteren unangenehmen Überraschungen.
Das Ganze war nicht toll und auf keinen Fall mit ihrer
bisherigen Wohnung zu vergleichen. Aber alles erschien ihr besser, als noch
weiter mit Max zusammen zu wohnen. Falls sie die Ärmel hochkrempelte und etwas
putzte, dann könnte sie hier die nächsten Tage gut überleben. Und wenn sie erst
einmal diesen ekligen Topf entsorgt hätte, dann würde sicher auch der Gestank
verschwinden. Immerhin konnte sie das Fenster Tag und Nacht offenlassen. Wer
bei ihr einsteigen wollte, der müsste schon ein geschickter Fassadenkletterer
sein.
Noch am Abend desselben Tages wuchtete Edith einen schweren
Koffer nach oben. Er enthielt neben einigen Wechselsachen eine Luftmatratze.
Auf der würde sie in den kommenden Nächten schlafen. Es lohnte sich nicht, ein
Bett aufzustellen. In weniger als drei Wochen war sie weg. Weg aus dieser
Stadt, weg aus diesem Land.
Nachdem sie ihr Schlaflager aufgebaut hatte, ging sie in die
Küche und goss sich ein Glas Wasser ein. Sie setzte sich an den Tisch und holte
einen Brief aus ihrer Jeans. Er war zerknittert und zerrissen. Als sie ihn
glättete, fuhren ihre Gefühle Achterbahn. Max hatte ihn geöffnet, weil er sich
wunderte, wieso sie einen Brief aus Dänemark bekam. Was er dort zu lesen bekam,
gefiel ihm nicht. Er bekam auf der Stelle einen seiner gefürchteten
Wutausbrüche. Bisher waren seine Brüllattacken zwar unangenehm gewesen, aber sie
waren nicht in Handgreiflichkeiten ausgeartet. Diesmal war es anders. Er packte
und schüttelte sie, während er schrie. Noch nie hatte sie solche Angst
verspürt. Hals über Kopf rannte sie davon. Zum Glück wusste sie von dieser
Mansardenwohnung, die den Eltern ihrer Freundin Karin gehörte. Es brauchte
nicht viel Überredungskunst, den Schlüssel zu bekommen. Man sah ihr an, dass
sie keinesfalls in die gemeinsame Wohnung zurückkehren konnte. Zu ihren Eltern
konnte sie nicht, denn ihre Mutter vergötterte Max und sah nicht einen seiner
Fehler. Sie würde sie postwendend zurückschicken und war noch nie eine Hilfe
gewesen, wenn es um die zahlreichen Streitigkeiten zwischen dem jungen Paar
ging. Sie stand immer auf der Seite ihres Schwiegersohnes in spe, wie sie Max liebevoll
nannte. Wie es Edith in dieser Beziehung ging, war ihre egal. Ein Doktor und
eine Kindergärtnerin. Da solle sie doch froh sein, einen solchen Mann zu
bekommen!
Innerlich hatte sich Edith schon lange aus dieser Beziehung
verabschiedet, auch wenn ihr der letzte Schritt noch schwerfiel. Um einen
Schnitt zu machen, bewarb sie sich daher auch heimlich in einem dänischen
Kinderheim. Und genau diese Zusage war Max in die Hände gefallen. Irgendwie war
es ja auch verständlich, dass er sich hintergangen fühlte. In weniger als drei
Wochen würde sie ihren neuen Job in einem anderen Land antreten.
Ob der Chef, der sich als Lars vorgestellt hatte, auch so
nett war, wie er über Skype rüber kam? Mit diesem Gedanken legte sie sich auf
ihr provisorisches Nachtlager und schlief sofort ein. Sie träumte vom Meer, von
lachenden Möwen und einem blonden Dänen, der sich schon ein wenig in ihr Herz
geschlichen hatte.
2. Krimi
Kommissar Medved grummelte wütend vor sich hin. Wieso hatte
er sich bloß dazu überreden lassen, wieder einmal den tollen Papa zu spielen?
Während seine Tochter und ihre affige Freundin eine Attraktion nach der anderen
auf dem Rummelplatz ausprobierten, stand er sich hier die Beine in den Bauch.
Er wäre viel lieber mit Lisa allein gewesen, hätte sich mit ihr unterhalten und
die gemeinsame Zeit für etwas genutzt, was wirklich gut für eine
Vater-Tochter-Beziehung war. Stattdessen zog er mit zwei Halbwüchsigen von Bude
zu Bude. Die Mädchen waren heute wieder einmal nicht zu bremsen. Sie kicherten
und gackerten die ganze Zeit. Und alles mussten sie ausprobieren. Achterbahn,
Riesenrad, Gespensterbahn. Und er konnte bezahlen. Die Preise waren ja ganz
schön saftig! Wer hier mit drei oder mehr Kindern hinging, der konnte ein
kleines Vermögen auf dem Platz lassen. Zwei Kinder reichen auch schon, um
jemanden in den Ruin zu treiben, dachte er missmutig, und beobachtete wie die
Beiden sich am Schießstand drängelten. So ein Schwachsinn! Geld ausgeben für
Papierblumen, die dann doch über kurz oder lang im Müll landen würden. Oder
noch schlimmer. Nach dem letzten Rummelbesuch hatte seine Tochter den Ficus in
seinem Büro mit den albernen Blumen geschmückt. Die Kollegen hatten ihn
tagelang aufgezogen, womit der denn seine Birkenfeige gedüngt hätte, dass sie
Blüten trägt. Medved verzog das Gesicht. Doch er riss sich zusammen, als die
Mädchen zurückkamen und lächelte gekünstelt. "Na habt ihr Spaß",
fragte er und wollte die Antwort eigentlich gar nicht wissen. "Jetzt gehen
wir zur Wahrsagerin", flüsterte seine Tochter aufgeregt und zog ihn mit
sich fort. "Auch das noch!", murmelte er, als er den saftigen Preis
für zwei Tickets bezahlte. Es dauerte etwa zehn Minuten, als die kleinen Gänse
wieder kichernd aus dem Zelt der Sibylle kamen. Was für ein schönes Leben doch
auf sie warten würde, schnatterten die Mädchen aufgeregt. "Papa, du musst
unbedingt auch hinein gehen!", forderte ihn sein Kind auf. "Oh ja, oh
ja", fiel die Freundin ein. Der Kommissar wusste, dass er keine Chance
gegen die Beiden hatte, bezahlte und schob seufzend den Zelteingang beiseite.
Drinnen war es genauso, wie er es erwartet hatte. Eine Frau unbestimmbaren
Alters, mit bunten Kleidern und übermäßig viel falschem Schmuck behangen, saß
hinter einem Tisch mit einer Glaskugel. Medved nahm ihr gegenüber Platz und schüttelte
sich innerlich. Auf ihrer Schulter saß ein Frettchen. In der Scheune seines
Elternhauses hatte einmal ein Iltis gewohnt. Als das Gebäude irgendwann
abgerissen wurde, hatte der längst verlassene Iltisbau immer noch fürchterlich
gestunken. Wie konnte man sich nur freiwillig mit so einem Tier abgeben? Bevor
er weiter darüber nachdenken konnte, hatte die Wahrsagerin seine Hand genommen
und hineingeblickt. "Du stellst die falschen Fragen", meinte sie zu
ihm. Er sah sie erstaunt an. Was meinte sie damit? "Es geht nicht immer um
Geld. Was ist manchen Menschen wichtiger als Reichtum?" Die Hexe schwieg
eine Weile und lies seine Hand los. "Warum bist du mit den Mädchen auf den
Rummelplatz gekommen?" Er antwortete nicht. "Du wolltest der Gute
sein, der Papa der Kinderträume erfüllt. Es sollte perfekt nach außen sein.
Wenn Lisa nach Hause kommt, soll sie deiner geschiedenen Frau erzählen wie
toll, der Nachmittag mit ihrem lieben Vati gewesen ist." Woher wusste sie,
dass er geschieden war und wie seine Tochter hieß? Doch dann begann er über
seine Naivität den Kopf zu schütteln. Natürlich. Die Kinder waren doch vor ihm
bei der Wahrsagerin gewesen! Beinahe wäre er auf diese Betrügerin reingefallen.
Doch da für sie schon fort: "Ich weiß, dass du lieber in deinem Büro sitzen
würdest, um an dem Fall der ermordeten Frau vom Vorstandsvorsitzenden Krämer zu
arbeiten. Aber du wolltest den Schein aufrechterhalten, dass dir deine
Verpflichtungen dem Kind gegenüber wichtiger sind. Obwohl es nichts bringt,
wenn diese fürchterliche Babsi mit dabei ist. Und genau das ist es, was manche
Menschen dazu treibt, Sachen zu machen, die nicht richtig sind. Nach außen soll
alles perfekt sein. Und dafür verbiegen sich einige Leute und andere Typen
gehen sogar über Leichen." Medved stand auf. Es reichte ihm. Natürlich war
in der Tageszeitung ein ausführlicher Bericht über den Mord an der
Industriellengattin gewesen. Sicher wusste die Alte daher, dass er die
Ermittlungen leitete. "Betrügerin", murmelte er noch im Hinausgehen.
Doch die Frau rief ihm hinterher: "Vielleicht wusste der Krämer das von
dem Reitlehrer und seiner Frau? Hast du das Mal in Erwägung gezogen? Wie ich
sagte: Die Menschen machen so einiges, um den Schein zu wahren."
Der Kommissar stutzte. Bisher waren er und seine Kollegen
davon ausgegangen, dass Frau Krämer das Opfer eines Raubmordes gewesen sei.
Hauptverdächtiger war der Reitlehrer, denn bei ihm fand man eine wertvolle
Kette der Toten und eine ihrer Kreditkarten. Was aber, wenn man ihm das
untergeschoben hatte? Medved rieb sich das Kinn. Der Reitlehrer war ziemlich am
Boden zerstört, als man ihm mit dem Mord an seiner Schülerin konfrontierte und
regelrecht zusammengebrochen. Vielleicht war das kein Schuldgeständnis, wie man
vermutete? Sein Alibi war nicht ganz wasserfest, denn er arbeitete zur Tatzeit
allein in der Reithalle, um ein neues Pferd zu trainieren. Wo aber war Krämer
gewesen, der jetzt den trauernden Hinterbliebenen spielte. Vielleicht sollte er
seine weiteren Ermittlungen in diese Richtung lenken? In seiner Laufbahn war es
oft genug vorgekommen, dass es nicht so war, wie es auf den ersten Blick
aussah.
Mit den maulenden Mädchen im Schlepptau strebte Kommissar
Medved rasch dem Ausgang zu.
3. Fantasy
Marla schüttelte sich vor Ekel. Da hatte sie doch
tatsächlich in eine Kröte gefasst! Was für eine blöde Idee das Artefakt
ausgerechnet in einem Iltisbau zu verstecken! Jeder in ihrer Familie wusste,
dass die kleinen Räuber diese warzigen Lurche mit einem Nackenbiss lähmten und
dann fangfrisch in ihren Vorratslagern aufbewahrten. Ihr Vater war Spezialist
für alle Raubtiere des heimischen Waldes, die kleiner als ein Fuchs waren. Er
konnte stundenlang darüber erzählen, ohne dass es den Zuhörern langweilig
wurde. Doch jetzt war er schon über zwei Jahre tot und seine Stelle versuchte
gerade dieser unsympathische Rudolf einzunehmen. Der wollte Rudi genannt werden
und sich alles unter den Nagel reißen. Die Mutter, das Haus und natürlich auch
die Besitztümer, die einmal Marlas Vater gehört hatten. Das, was sie jetzt
suchte, hatte sie gerade noch vor ihm in Sicherheit bringen können. Vor einigen
Wochen ging er ins Arbeitszimmer ihres Vaters, stellte seine Bücher ins Regal
und belegte den Schreibtisch mit Beschlag. "Was kuckst du so?", fuhr
er sie an, als sie ihm entsetzt dabei zusah. "Das ist jetzt mein Büro.
Hier werde ich arbeiten, wenn ich bei euch eingezogen bin." Dann eilte er
mit wichtiger Miene nach draußen, um einen Karton mit seinem Schreibkram zu holen.
Diese kurze Zeit hatte Marla genutzt um das kleine silberne Kästchen vom Regal
zu nehmen und im Topf der riesigen Birkenfeige, die in der Zimmerecke stand, zu
verbergen. Es war Sommer und sie hatte nur einen kurzen Rock und ein leichtes
Top an. Da gab es nichts, wo sie den wertvollen Schatz hätte verstecken können.
Zum Glück war die Erde des Ficus mit Moos bedeckt, unter das sie das Kästchen
schieben konnte. Er durfte es auf keinen Fall in die Hände bekommen. In der
Nacht darauf war sie aufgestanden und hatte das Artefakt geholt und im Iltisbau
versteckt. Dummerweise war diese Stelle, in der sie jetzt herumtastete, vor
einer Woche noch leer gewesen. Daher hatte sie gedacht, dass es ein prima
Aufbewahrungsort sei.
Sie überwand ihren Ekel vor den gelähmten Kröten und tastete
weiter. Endlich spürte sie etwas Metallisches. Da war es! Marla wischte es mit
dem Ärmel ihrer Strickjacke sauber. Vor Kurzem war ein kräftiger Regenguss
heruntergekommen und die Luft war sauber und kühl. Der Vollmond stand hell und
tröstend am Himmel. Es war genau die richtige Zeit und das passende Wetter.
Jetzt durfte sie keine Zeit mehr verlieren. Wenn man sie vermissen und nach ihr
suchen würde, dann konnte sie die Sache vergessen. Es würde ewig dauern, bis
alle nötigen Gegebenheiten wieder so ideal für ihr Vorhaben waren. Und
vielleicht nahm man ihr auch noch das Kästchen ab. Mit raschen Schritten eilte
sie in den Wald. Der Mond leuchtete zwischen die Bäume, aber auch ohne seinen
Schein hätte sie den Weg gefunden. Sie war ihn sicher schon tausendmal
gegangen. Nach etwa einer halben Stunde blieb sie auf einer Lichtung stehen.
Sie holte tief Luft und warf einen letzten Blick auf das Artefakt. Was für eine
komische Bezeichnung für so ein Kästchen, dachte sie nicht zum ersten Mal. Ihr
Vater hatte es so genannt. Als er krank wurde, zeigte er es ihr und erklärte,
was sie damit machen sollte. Wenn das Wetter und der Mond günstig wären, könnte
ihr dieses auf den ersten Blick recht unscheinbare Teil aus großer Not helfen.
Das war jetzt aber auch wirklich nötig. Rudi und ihre Mutter hatten vor einer
Woche geheiratet. Gestern Abend war sie, weil sie nicht schlafen konnte, noch
in die Küche gegangen, um sich etwas zu trinken zu holen. In den Tagen vor und
nach dem Vollmond bekam sie immer Probleme mit dem Einschlafen. Dabei ging sie
an der angelehnten Tür des Wohnzimmers vorbei und hörte, wie Rudi ihre Mutter
überzeugen wollte, Marla in ein Internat zu geben. Sie sollte fort von hier!
Der Wald, die Tiere und das Grab ihres Vaters waren doch alles, was ihre Welt ausmachte.
Niemals würde sie in eine Schule für Mädchen gehen! Es gab nur zwei
Möglichkeiten. Entweder sie lief weg oder sie probierte diese Sache aus, von
der sie so gar nicht überzeugt war. Was soll es, dachte sie sich und öffnete
das Kästchen.
Da drinnen lag ein winziges Ei. Marla sah sich suchend nach
einer geeigneten Stelle um. Es müsse weiches, feuchtes Moos sein, das vom
Schein des Vollmondes wie Silber glänzen würde, hatte Vater gesagt. Nach kurzer
Zeit entdeckte sie den perfekten Platz und legte das kleine Ei dort ab. Dann
stach sie sich mit der mitgebrachten Nadel in den Finger und ließ drei
Blutstropfen auf die makellose weiße Schale fallen. Diese veränderte sich
augenblicklich und schien Risse und Brüche zu bekommen. Gleichzeitig blähte
sich das Ei auf. Sie trat erschrocken einen Schritt zurück. Es schien
tatsächlich zu funktionieren. Als das Ei ungefähr die Größe eines Fußballs
hatte, veränderte es sich erneut. Die Schale wurde dunkel, fast schwarz und
schient trotzdem von innen zu leuchten. Jetzt war die Zeit gekommen um die
magischen Worte zu sprechen. Hoffentlich verwechselte sie nichts. Vor Aufregung
schien ihr Magen Achterbahn zu fahren. Sie schlucke und sprach dann mit
zitternder Stimme, die drei Verse aus dem Buch der Schatten, die ihr Vater ihr
beigebracht hatte.
Als sie fertig war, geschah zuerst einmal nichts. Marla
wollte schon verzweifeln. Hatte sie etwas verdreht oder falsch ausgesprochen?
Doch dann gab es einen leisen Plopp, das Ei zerbrach und heraus kam ein
seltsames kleines Fabelwesen. Es sah aus wie eine Katze mit drei Schwänzen,
hatte Flügel und den Kopf eines Fisches. "Hallo Marla", sagte es mit
heiserer Stimme. "Wird ja Zeit, dass du mich endlich aufweckst. Ich hatte
schon viel früher mit dir gerechnet. Warum hast du diesen schrecklichen Rudi
überhaupt so lange ertragen?"
Dem Mädchen fielen fast die Augen aus dem Kopf. "Wer
bist du? Oder was bist du?" Das seltsame Geschöpf sah an sich herunter,
grinste, soweit ein Fischmaul grinsen kann, und schüttelte sich dann. Sogleich
verwandelte es sich in ein kleines Männchen. "Ich bin ein Kobold, der sich
gern einmal einen Scherz erlaubt. Gibt zu, du hast nicht schlecht gestaunt, als
du dieses dreischwänzige, geflügelte Katzenfischdings erblickt hast. Mit meiner
echten Gestalt hinterlasse ich niemals so einen gewaltigen Eindruck." Der
kleine Kerl grinste geradezu unverschämt. Doch dann verbeugte er sich
"Mein Name ist Arlo. Ich bin ein Freund deines Vaters und ich bin
gekommen, um dich nach Rosenhort zu begleiten."
"Ich verstehe gar nichts", meinte Marla, als sie
von fern Rufe durch den Wald schallen hörte. "Sie suchen nach dir",
meinte Arlo. "Es ist Zeit, das wir verschwinden." Er wandte sich um
und lief schneller, als man es ihm je zutrauen würde, davon. "Kommst du?
Oder willst du doch ins Internat?", rief er ihr über die Schulter zu. Das
Mädchen schüttelte den Kopf und folgte dem Kleinen, der schon fast hinter der
nächsten Wegbiegung verschwunden war. Es war verrückt, das zu tun! Aber alles
war besser als ins Internat zu müssen.