Eines Tages, vor langer Zeit, ging der alte, von der Last
seiner Jahre gebeugte Druide Latharn einen schmalen Waldweg entlang. Ihm kam
ein junger, forscher Diener des neuen Gottes entgegen. Der forderte mit lauter
Stimme den Alten auf, ihm Platz zu machen und ihm zudem noch die Ehre zu
erweisen.
Als der Druide nur missbilligend den Kopf schüttelte, da
wurde der Mönch wütend. „Geh beiseite du alter Tropf! Deine Zeit ist vorbei! Du
und deine verschlissen Götter, ihr habt hier nichts mehr zu melden. Jetzt zählt
allein unser Gott. Der ist die Wahrheit und das Gesetz. Also hurtig, mache mir
den Weg frei!“
Da wurde Latharn zornig ob des vorlauten Verhaltens des
Jüngeren und richtete sich zu seiner vollen Größe auf.
„Was erlaubst du dir!“, begann er mit Donnerstimme, sodass
sein Gegenüber erstaunt ob des ungewohnten Widerstandes zusammenzuckte.
„Dein Gott ist viel jünger als unsere alten Götter. Er ist
allein und wir haben viele. Sie sind alt, weise und gütig. Aber glaube nicht,
dass sie nicht auch grimmig werden können.
Dein Gott, auf den du dich in deinem Hochmut berufst, der hat alle Hände voll
zu tun, um zu begleichen, was ihr in eurem Übermut anrichtet. Wahrlich er tut
mir leid. So viele von euch machen in seinem Namen aus Unwissenheit und
falschen Eifer großen Schaden. Ihr seid euch ja nicht einmal einig über seinen
Willen.
Predigt nicht auch euer Gott Liebe und Verständnis? Und was tragt ihr davon in
die Welt hinaus?
Solange ihr aus falsch verstandenem Ehrgefühl dieses Teil seines Wesens
beiseiteschiebt, werdet ihr niemals in Frieden miteinander, geschweige denn mit
Andersdenkenden, leben.“
Latharn stampfte mit seinem Stab auf den Boden und schaute
den Mönch mit stechendem Blick in die Augen. »Wisse du Narr, seine Götter trägt
man im Herzen und nicht mit der Wut im Bauch.«
So sprach der Alte und verschwand.
Der Jüngere blieb verblüfft zurück.
Aber niemand weiß, ob die Worte des Druiden auf fruchtbaren
Boden gefallen waren.